Krankheiten
Dank dem Screening lassen sich Stoffwechsel- und Hormonkrankheiten mit Hilfe modernster Technik schon kurz nach der Geburt nachweisen.
Die elf Krankheiten, die im Labor gescreent werden, sind im einzelnen aufgeführt und kurz beschrieben:
Die Phenylketonurie (PKU)
Diese Stoffwechselkrankheit führt unbehandelt in den meisten Fällen zu schwerwiegenden Hirnschäden beim heranwachsenden Kind. Dieses ist dann lebenslang auf Betreuung und Pflege angewiesen. Wird die Krankheit jedoch in den ersten Lebenswochen erkannt und mit entsprechender Diät behandelt, bleibt das Kind gesund.
Die mit der Nahrung aufgenommene Aminosäure Phenylalanin, ein normaler Bestandteil aller tierischen und pflanzlichen Eiweisse, kann bei der PKU im Körper nicht normal verarbeitet werden. Es entstehen Stoffwechselprodukte, die für das Gehirn giftig sind. Die Spezialernährung enthält nur einen geringen Gehalt an Phenylalanin, wodurch die Krankheitsfolgen verhindert werden.
Die Krankheit kommt mit unterschiedlichen Schweregraden etwa einmal unter 8000 Neugeborenen vor.
Die Hypothyreose
Bei der Hypothyreose, einer angeborenen Unterfunktion der Schilddrüse, führt der Mangel an Schilddrüsenhormon zu einer Verlangsamung sämtlicher Stoffwechselvorgänge und dadurch zu einer schweren Beeinträchtigung der körperlichen und geistigen Entwicklung. Wird jedoch bald nach der Geburt das fehlende Hormon täglich als Tablette verabreicht, so sind eine Normalisierung der Stoffwechselvorgänge und somit eine gesunde Entwicklung des Kindes gewährleistet.
Die Hypothyreose ist recht häufig, ist doch eines von 3500 Neugeborenen betroffen.
Der Medium-Chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel (MCAD-Mangel)
Der MCAD-Mangel ist eine angeborene Störung im Abbau von Fettsäuren im Fettgewebe. Diese Krankheit zeigt sich erst dann, wenn der Körper bei langem Fasten, Erbrechen, Durchfall und Fieber – zum Beispiel bei den im Kindesalter häufigen banalen Infekten – auf die Fettreserven zurückgreifen sollte: Dann kommt es zu Schläfrigkeit, Übelkeit, Unterzuckerung, Krampfanfällen und Koma. Unerkannt endet die erste Krise oft tödlich.
Mit den richtigen Vorsorgemassnahmen – Vermeidung langer Fastenperioden und Zufuhr einer ausreichenden kohlenhydratreichen Nahrung, vor allem bei Infekten mit Fieber – ist die Prognose jedoch ausgezeichnet.
Der MCAD-Mangel betrifft eines von 10 000 Neugeborenen.
Die Galaktosämie
Neugeborene mit Galaktosämie vertragen keinen Milchzucker. Die Ernährung mit Milch führt bei ihnen zu schweren Leber-, Nieren- und Hirnschäden und zur Beeinträchtigung des Sehens. Manche Kinder sterben sogar. Wird die Krankheit jedoch in den ersten Lebenstagen erkannt und mit entsprechender Diät behandelt, bleibt das Kind gesund. Die Behandlung besteht in einer strikten Vermeidung von Galaktose, einem Bestandteil von Milchzucker, der in der Muttermilch, in Kuhmilch und in weiteren Nahrungsmitteln vorkommt.
Die Störung betrifft eines von 55 000 Neugeborenen. Neben der klassischen gibt es drei weitere Formen von Galaktosämie, welche jedoch seltener und auch weniger schwerwiegend sind.
Das Adrenogenitale Syndrom (AGS)
Beim AGS wird in der Nebennierenrinde zu wenig Cortisol gebildet. Bei fieberhaften Infekten kommt es zu gefährlichen Krisen mit Unterzuckerung und Verlust von Salzen. Die fälschlicherweise vermehrt produzierten männlichen Geschlechtshormone fühern bei betroffenen Mädchen zu einer Vermännlichung des äusseren Genitales. Bei den Knaben ist das Genitale zwar normal, jedoch setzt auch bei ihnen eine verfrühte Pubertät ein, welche zu Kleinwuchs und Unfruchtbarkeit führt. Die Therapie ist einfach: Die fehlenden Hormone werden als Tabletten verabreicht. Wird damit kurz nach der Geburt angefangen, so kommt es zu keinerlei Schäden.
Die Störung betrifft eines von 9000 Neugeborenen.
Der Biotinidasemangel
Diese Störung führt zu verschiedenartigen, zum Teil sehr schweren Schädigungen und unter Umständen sogar zum Tod des Kindes. Das Enzym Biotinidase setzt normalerweise das Vitamin Biotin aus seiner gebundenen Form frei und macht es dadurch für den Körper wieder verfügbar. Bei der Krankheit hingegen geht das Vitamin verloren. Für die Funktion verschiedener Enzyme des Stoffwechsels ist Biotin aber lebenswichtig.
Auch hier können durch eine frühzeitige Diagnose und eine sofortige Therapie Schäden verhindert werden. Die Behandlung des Biotinidasemangels ist problemlos. Sie besteht in einer Tablette Biotin pro Tag. Die Krankheit ist etwa gleich häufig wie die Galaktosämie.
Die Cystische Fibrose (CF)
Bei der CF besteht eine Störung des Salzaustausches in den Zellen. Als Folge davon sind die Sekrete in Atemwegen und Bauchspeicheldrüse zu zähflüssig. Dies führt zu chronischer Entzündung der Atemwege und schlechtem Gedeihen, was unbehandelt zu schwerer Erkrankung führt. Es sind auch milde Formen bekannt, die gelegentlich erst im Erwachsenenalter entdeckt werden. Mit intensiven Inhalationen, Atemphysiotherapie und entsprechender Ernährung mit Verabreichung von Verdauungsenzymen und fettlöslichen Vitaminen können unnötige Hospitalisationen vermieden und ein besseres Gedeihen ermöglicht werden. Die CF ist die häufigste angeborene Stoffwechselkrankheit und betrifft etwa eines von 3000 Neugeborenen.
Die Glutarazidurie Typ 1 (GA-1)
Bei dieser Stoffwechselkrankheit können die Aminosäuren Lysin und Tryptophan, normale Bestandteile aller tierischen und pflanzlichen Eiweisse, im Körper nicht normal verarbeitet werden. Als Folge entstehen Stoffwechselprodukte, die für das Gehirn giftig sind. Betroffene Kinder haben in der Neugeborenenperiode meist keine Symptome. Unbehandelt haben die meisten Kinder einen grossen Kopf und im Verlauf eine Entwicklungsverzögerung sowie milde Bewegungsstörungen. Im Alter von 3 Monaten bis zu 3 Jahren treten, oft ausgelöst durch banale Infekte, akute Stoffwechselkrisen auf, die zu bleibenden Bewegungsstörungen und schwerster Behinderung führen.
Mit einer speziellen Diät und Substitution von L-Carnitin kann die GA-1 gut behandelt werden. Zur Verhinderung von Stoffwechselkrisen wird in den ersten Lebensjahren bereits bei banalen Infekten vorsorglich eine stationäre Notfallbehandlung eingesetzt.
Die Ahornsirup-Krankheit (MSUD)
Die Ahornsirup-Krankheit (auch MSUD genannt) ist eine angeborene Stoffwechselstörung bei der bestimmte EiweissBausteine (die sogenannten Aminosäuren Leuzin, Isoleuzin und Valin) im Körper nicht richtig verarbeitet werden können. Als Folge davon häufen sich giftige Stoffe an, die zu einer sehr raschen Verschlechterung des Neugeborenen führen können. Besonders gefürchtet ist das Auftreten einer Hirnschwellung, die ein Koma auslösen kann. Unbehandelt kann diese Krankheit zum Versterben führen. Es sind auch milde Formen bekannt, bei welchen Patienten weniger schwer betroffen sind. Mit einer speziellen Ernährung kann die MSUD gut behandelt werden. Im Neugeborenen-Screening entdeckte Patienten haben eine gute Prognose.
Der Schwere Kombinierte Immundefekt (SCID) und die schwere T-Zell Lymphopenie
Beim Schweren Kombinierten Immundefekt (SCID) und bei schwerer T-Zell Lymphopenie besteht eine Störung der Bildung von T-Zellen. Als Folge davon kann es rasch zu lebensbedrohlichen Infektionen und einer ausgeprägten Gedeihstörung kommen. Unbehandelt können SCID und schwere T-Zell Lymphopenie zum Versterben führen. Es sind auch milde Formen bekannt, die weniger schwer betroffen sind. Mit einer Stammzelltransplantation kann SCID und schwere T-Zell Lymphopenie geheilt werden. Im Neugeborenen-Screening entdeckte Patienten haben eine gute Prognose.
Die Spinale Muskelatrophie (SMA)
Die SMA ist eine seltene angeborene Krankheit. Bei Menschen, die mit SMA leben, kommt es zu einem Verlust von Nervenzellen, die für Bewegungen und Muskelkraft im ganzen Körper nötig sind. Dies führt zu einer Schwäche der Muskeln von Armen und Beinen. Das Atmen und das Schlucken können im Krankheitsverlauf schwer betroffen werden. Oft zeigen sich Symptome schon im ersten Lebensjahr. Durch das Neugeborenen-Screening können fast alle Neugeborenen (ca. 95%) mit SMA-Risiko identifiziert werden. Bei einem positiven Test werden die Eltern für eine dringende Untersuchung des Neugeborenen und zusätzliche Tests in ein neuromuskuläres Zentrum eingeladen. Eine Diagnose nach dem Neugeborenen-Screening ermöglicht eine frühzeitige Überwachung und Behandlung. Inzwischen gibt es wirksame Therapien, die das Fortschreiten der SMA aufhalten oder verlangsamen können. Wenn die Behandlung vor dem Auftreten erster Symptome beginnt, hat das Baby die besten Chancen auf eine normale motorische Entwicklung.